Autotausch
Es war soweit. Der Tag, den ich lange versucht hatte, hinauszuzögern, kam. Die Tage von Bruno II waren gezählt.
Seit der letzten AU war ich alles andere als verwöhnt, denn der arme alte Motor war so schlecht eingestellt, dass ich lernte, mit dem linken Fuß zu bremsen, allerdings nur wenn der Motor kalt war. Der Automechaniker versäumte auch nicht, mir mitzuteilen, dass eine Reparatur dringend anstehen würde, um den Ölverlust zu stoppen. Ich erinnerte mich an die defekte Zylinderkopfdichtung, schwieg und fuhr. Aber die Unterhaltung hatte ungeahnte Konsequenzen, denn ich traute mich kaum noch, Bruno II überhaupt zu bewegen. Ein neues gebrauchtes Auto musste her, und ich setzte mir ein Preislimit. Ein VW sollte es sein, kein Kombi, aber auch kein Lupo, einfach nur ein praktisches Auto, das von der Größe her zu meinen Bedürfnissen passte. Doch der Markt war in dieser Preisklasse leer gefegt. Ein Grinsen, begleitet von dem Rat, in drei Jahren wieder zu kommen, brachte mich dazu, vorerst meine Suche einzustellen. Ich litt, Bruno II litt, wie sehr ahnte ich noch nicht.
Dann erfuhr ich durch meine Eltern, dass deren Nachbarn ihr Auto verkaufen wollten. Ich freute mich, obwohl es etwas mehr kosten sollte, als ich bereit war auszugeben. Und wie sich zeigte, waren im Gegensatz zu meinen Vorstellungen vom Preis meine Bedürfnisse geschrumpft, denn ich zuckte nichtmal, als ich erfuhr, dass es ein Lupo sei.
Bald darauf kamen meine Eltern zu Besuch, und sogleich bombardierten sie mich mit Fragen, um herauszufinden, wer das Gerücht mit dem Lupo in die Welt gesetzt habe. Ich war irritiert, doch die beiden meinten, sie hätten sich die ganzen 370 km bis zu mir über dieses Gerücht und den vermeintlichen Verursacher unterhalten. Meine Mutter erzählte mir dann, sie hätte genau an dem Tag in der Garage der Nachbarn den Wagen gesehen, und auf dem Heck stand deutlich das Wort POLO geschrieben. Meine Augen lichteten sich. Mein Vater gab zu bedenken, er hätte lediglich gesagt, der Neuwagen der Nachbarn würde ein Lupo werden. Ich war einfach nur glücklich.
Als ich Weihnachten bei meinen Eltern war, durfte ich mir den Wagen anschauen. Während der Probefahrt erzählte mir der Nachbar, wie sehr er sich schon auf seinen neuen FOX freuen würde. Es begann, mir zu dämmern, es gab nie einen Lupo, es gibt keinen Lupo und es wird nie einen Lupo geben. Ich beschloss, mich nicht mehr verwirren zu lassen. Wir machten den Handel perfekt, sobald sie ihren FOX bekommen würden, würde der POLO seinen Besitzer wechseln. Ich freute mich.
Doch Bruno II musste dringend weg. Glücklicherweise interessierte sich ein Kumpel meines Arbeitskollegen für ihn. Wir wollten ihn besichtigen, eine Probefahrt machen, jedoch stellte sich heraus, dass ich weder die vereiste Motorhaube öffnen konnte (später stellte sich heraus, dass ich den Hebel gekippt lassen musste, aber das erzählte ich niemandem) noch den Motor aufgrund der eisigen Kälte zum Laufen bekam. Nun rächte sich, dass ich Bruno II am Ende so wenig vertraut hatte, er wurde trotzig. Ich zog andere Seiten auf, kaufte mir ein Starthilfekabel und ließ mir von einer Freundin mit ihrem GOLF, schließlich sollte man in der Familie bleiben, Starthilfe geben. Der Motor schien auf dem letzten Loch zu pfeifen, jeden Moment rechnete ich damit, dass ein Klumpen einer undefinierbaren Substanz den Auspuff verlassen würde. Ich dackelte unzählige Kilometer hinter dem GOLF her, um meine Batterie aufzuladen und nach einer Weile lief er wieder ruhig. Ich war erleichtert. Der Kumpel wollte Bruno II immer noch kaufen, was vermutlich daran lag, dass eine Mikrowelle teurer war als Bruno II, und so trafen wir uns einige Tage später, fuhren zusammen zum Ummelden des Autos und somit musste ich mich schweren Herzens von meinem fast 17 jährigen Auto verabschieden, welches mir 12 Jahre sehr gute Dienste geleistet hatte, wenn man vom unschönen Ende absah.
Und sodann nahte der große Tag, meine Eltern schickten mir den Fahrzeugbrief und die anderen Unterlagen meines neuen gebrauchten POLOs, ich beantragte von meiner Heimatversicherungsdienststelle eine Doppelkarte und wollte das Auto in meiner Stadt anmelden. Ich wartete und wartete, einzig und allein, man ahnt es, auf die Doppelkarte. Täglich rief ich bei meiner Versicherung an, doch ich bekam immer die selbe Antwort, die Karte sei auf dem Weg zu mir. Ich wurde unruhig, hatte ich mir doch vorgenommen, mein Auto am Freitag anzumelden und am Samstag mit dem Zug und mit den neuen Kennzeichenschildern zu meinen Eltern zu fahren, um es abzuholen, Heim zu holen. Freitag bat ich darum, mir die Doppelkarte zuzufaxen. Die gute Frau tat es, und ich fuhr insgesamt etwa 20 km, mit dem Fahrrad, durch die Kälte. Erst fuhr ich zur Zulassungsstelle, wartete eine halbe Stunde, nur um dann zu erfahren, dass sie keine gefaxte Doppelkarte akzeptieren würden. Ich war verzweifelt. Auf dem Rückweg sah ich eine Filiale meiner Versicherung, doch alles war dunkel und ich fuhr zur Arbeit zurück. Jetzt wollte ich es wissen und erkundigte mich telefonisch nach den Öffnungszeiten. Ich finde, sie sollten die Filiale wirklich besser von innen beleuchten. Nach der Arbeit fuhr ich also wieder los, und weil ich das Gebäude nicht auf Anhieb fand, fuhr ich einen nicht zu unterschätzenden Umweg über die Zulassungsstelle. Meine Doppelkarte bekam ich, und am Samstag fuhr ich wieder 10 km durch die Kälte und konnte dann tatsächlich mit den Kennzeichenschildern in den Zug steigen.
An Lottes Servolenkung gewöhnte ich mich schnell, jedoch stellte sich heraus, dass sie erstaunlich gute Bremsen hat. Und meine Nerven werden wirklich geschont, denn der Motor geht gar nicht aus, wenn ich auf die Bremse trete. Das Auto wird mir immer vertrauter und doch scheine ich auf immer neue Seiten zu stoßen. Erst heute noch wunderte ich mich über die dunklen Streifen an den Seiten, die ich vorher noch nie bemerkt hatte. Gut, dass die Alarmanlage bei dem Versuch, das Auto aufzuschließen, nicht angegangen ist.
Wer weiß was ich noch mit Lotte, wenn ich sie denn erkenne, so alles erleben werde.
Ich bin gespannt.
by C.G.