Bazillengemeinschaft
Ich nehm es gleich vorweg- ich kriege eine Krise....
Der Morgen fing recht harmlos an... im Institut angekommen passierte zunächst auch nichts. Bis eine Mitarbeiterin erzählte, sie hätte es gestern mit dem Magen gehabt. Ihr war wohl recht übel, war jedoch gestern pflichtgewusst bei der Arbeit erschienen, aber heute würde es schon wieder gehen. Bei mir dämmerte es - hatte mir doch Ulli gestern erzählt, bei ihr in der Familie hätten sie es reihum mit dem Magen gehabt…zuletzt sie am Sonntag. Ooookay, dachte ich, wird schon. Bis mein Kollege sich äußerte (nach typisch männlicher Art), er erzählte von seinen Nebenhöhlen und der Stirnhöhle, die alle zu wären, dann erwähnte er seine Kopfschmerzen, fasste das ganze als Erkältung zusammen, fügte noch hinzu, dass ihm kalt sei. Okay, bei 18 °C hier im Raum war das nicht wirklich verwunderlich, ging mir gewissermaßen ähnlich. Dann vergaß er nicht zu erwähnen, dass er Probleme mit dem Magen habe. Er hätte sich ein Balisto reingezwängt, und das würde wohl auch drin bleiben, mehr sollte aber wohl nicht mehr rein. Die Mitarbeiterin, die gestern die Magenprobleme hatte, deutete auf den Postillon, mit dem Hinweis, er hätte es gestern wohl auch mit dem Magen gehabt. Mein Magen rutschte mir allein schon bei der Vorstellung wohin auch immer. Wenn es etwas Schlimmes für mich gibt, dann, wenn ich mich übergeben muss. Selbst bei einer ultraleichten Fischvergiftung habe ich mir Besagtes untersagt. Ich bin eine bekennende Anti- Bulimiekerin, völlig ungeeignet, zu groß ist die Niederlage, nicht mehr Herr - äh Frau - meines Körpers zu sein ... Ich wollte mich dem Problem stellen und fragte den Postillon beim Verlassen des Raums, was er denn für gesundheitliche Probleme hätte, woraufhin er meinte, er sei erkältet - aaaaha, auch das noch. Er verließ den Raum und mein Kollege fasste die Situation in seiner treffend optimistischen Art zusammen: "Wir sind hier eh in einer Bazillengemeinschaft. Wer was von wem hat ist ja egal." Na, danke sehr. Okay, dachte ich, Vitamine müssen her, und mein Kollege muss nach Hause. Aber erst musste ich aufs Klo.
Es war als träfe mich der Schlag. Ich werde es dezent formulieren. Es schien mir, als hätte die vor-mir-zur-Toilette-müssende-Frau nicht gewollt, dass ihr eigenes Ökosystem durch Wasser an Gleichgewicht verliert. Und weil Parfüm ja auch keine so schlechte Alternative ist - siehe zur Zeit Ludwigs XIV, wo sich niemand gewaschen, dafür aber einparfümiert hatte- hüllte eine Duftwolke unterschiedlichsten Ursprungs das stille Örtchen ein. Ich versuchte die Luft anzuhalten und stürmte schließlich hinaus. Anschließend ging ich zur Caféte, um mir die Zutaten für meinen Vitaminschock zu besorgen, und so kaufte ich mir erstmal einen praktischen Salat für die Mittagspause. Als ich zurück an meinen Arbeitsplatz kam, war mein Kollege verschwunden, nach Hause, glücklicherweise, obwohl, fast 2 Stunden Inkubationszeit sind mehr als ausreichend, und der Postillon war auch noch da. Ulli spekulierte damit, mir Kügelchen zu verpassen. Ich weigerte mich hartnäckig und hoffte das Beste.
Die ersehnte Mittagspause kam und was soll ich sagen, jeder Salat ist so gut wie seine Salatsauce. Und die Salatsauce aus der Caféte erinnert mich immer an meine Kindheit. Die Wahl, entweder meinen Teller incl. Salat leer zu essen oder ein Mittagsschäfchen zu halten, wurde durch meine kindliche Abneigung, tagsüber zu schlafen, täglich immer aufs Neue entschieden. Und so verbrachte ich Stunde um Stunde vor meiner Salatsauce, nahm vorsichtig Salatblatt für Salatblatt in den Mund, saugte die Joghurtsauce heraus, nahm allen Mut zusammen, schluckte. Erst danach kaute ich die Blätter. Die Erinnerung an diese Zeiten ist einfach übermächtig, daher stellte solch ein Salat nicht wirklich ein Festschmaus für mich dar. Aber die Vitamine sollten nun mal der drohenden Epidemie entgegenwirken. Also Augen zu, Geschmacksknospen zu, und rein damit.
So, danach hatte ich das ungemein gute Gefühl, dass mein Vitaminbedarf nun bestimmt gedeckt sei. Allerdings ist es bei einer Raumtemperatur von 18°C nicht wirklich zu empfehlen, nicht warme Lebensmittel zu sich zu nehmen. Dem musste ich Abhilfe schaffen, und so steigerte ich die Flüssigkeitszufuhr in Form von heißem Tee. Was auch Nachteile hat, zwang mich doch dieser Umstand dazu, von Zeit zu Zeit die Toilette aufzusuchen… Auf dem Rückweg nahm ich den Umweg über den 37°C Brutraum. Eben noch dachte ich daran, meinen Arbeitsplatz an einem so schönen Ort wie diesem aufzubauen, dann schon merkte ich erste aufkommende Schweißperlen, und der Gedanke an Flucht drängte sich auf.
Und so verbrachte ich den restlichen Tag: Tee trinken, trotzdem frieren, zur Toilette gehen, Brutraum aufsuchen. Und die Stunden bis zum Feierabend zählen.
Mir graut es vor Morgen… und davor, mich erneut vor der Bazillengemeinschaft stellen zu müssen.
Vielleicht sollte ich mir mal mein Lieblingszitat zu Herzen nehmen,
„Ein Optimist weigert sich nicht,
die negativen Seiten einer Situation zur Kenntnis zu nehmen.
Er weigert sich lediglich,
sich diesen Seiten zu unterwerfen.“
(Norman Vincent Peale)
aber manche Situationen sind einfach übermächtig...
by C.G.