Fahrradepisode




Wenn sein Fahrrad älter ist als man selbst, total verrostet und vom Vandalismus gezeichnet ist, dann kommt man irgendwann zu der Erkenntnis, dass das verschrottungswürdige Etwas nun wirklich ersetzt werden muss...
Vor allem wenn man unfreiwilligerweise schon mal bei einem Ampelspurt auf der Mittelstange gesessen hat...
Und da meine Stadt eine Hochburg für Fahrradfahrer UND Fahrraddiebe ist, sollte es mich auf keinen Fall zu sehr ärgern, wenn es unfreiwillig den Besitzer wechseln sollte. Nach langem Suchen hatte ich mich auch irgendwann für ein günstiges Rad entschieden. Gestern (für die Nachwelt: Ende Januar, Entschlüsse müssen schließlich reifen) fuhr ich also mit dem Auto zum zweiten Mal zum Baumarkt, um den Kauf perfekt zu machen. Ich stellte mir zwar kurz die Frage was passieren würde, wenn ich das Fahrrad nicht ins Auto bekommen würde, aber meine Güte, selbst Schränke habe ich schon im Polo transportiert.
Im Laden klappte alles wie am Schnürchen. Ich geriet an einen sehr netten Verkäufer, der in Windeseile aus einem vormontierten Rad ein verkehrstaugliches (gut, dass er es tat) machte, und schon stand ich samt Fahrrad und nagelneuem Bügelschloss vor meinem Auto. Das Problem war nur, dass ich die Kopfstütze des Beifahrersitzes, die ich schon unzählige Male zuvor abgenommen hatte, nicht entfernen konnte, was dazu führte, dass ich mich irgendwann geschlagen gab. Also nahm ich das Bügelschloss und fuhr mit dem Rad heim. Wer braucht schon Handschuhe (oder gar eine Mütze) bei dem Wetter. Demzufolge bewegte ich mich in einem straffen Tempo fort und schimpfte die ganze Zeit vor mich hin ("Das hast du gaaanz toll hingekriegt." Hoffentlich hat mich keiner gehört). Zu Hause angekommen kettete ich es an eine Laterne und ging sofort zu Fuß zum Laden zurück, was nur unwesentlich weiter war als eine Fußmarschstunde, was ja ein Klacks für einen Menschen, der selbst bei einem 300m entfernten MiniMal-Laden nicht mal im Traum auf sein Fahrrad verzichten würde, ist.
Verständlicherweise war ich so sauer auf mich, dass ich mich abreagieren musste, und so verzichtete ich darauf, einen Teil der Strecke mit der Straßenbahn zu fahren. Ich hätte ohnehin noch einige Kilometer zu Fuß gehen müssen, denn zu dem Laden, der neben IKEA liegt, kommt man natürlich nicht mit öffentlichen Verkehrsmittteln. Schließlich braucht jeder, der bei IKEA einkauft, ein Auto und für den Baumarkt, in dem das Fahrrad angeboten wurde, gilt natürlich Entsprechendes. Ironischerweise hatte ich die Voraussetzungen erfüllt…
Nach einer Weile fingen die vom Fahrradfahren roten Hände an zu glühen und Ampeln stiegen zu meinen persönlichen Feinden auf, denn beim Stillstehen merkt man erst wie gut es den Füßen geht. Aber irgendwann hatte ich glücklicherweise mein Auto erreicht, jedoch bei dem Marsch wohl die Fähigkeit zum Einparken eingebüßt. Dies wurde mir unmissverständlich klar, als ich zu Hause ankam. Zu meinem Glück wurde ich bei meinen verzweifelten (und auch schmerzhaften) Versuchen auch noch von zwei Männern beobachtet, deren Gedanken nicht schwer zu erraten waren. Das einzige, was mich in dieser Situation aufrecht erhielt war das Gefühl, eine gute Tat zu vollbringen, denn Klischees wollen schließlich gepflegt werden.

Heute gehe ich keinen unnötigen Schritt. Aber wer muss schon laufen, wenn er stolzer Besitzer eines Fahrrades ist.
Und irgendwann, wenn Gras über die Einparksünde gewachsen ist, bewege ich vielleicht auch wieder mein Auto…

by C.G.

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