Jedes Fahrrad braucht sein Schloss



Ich möchte diese Geschichte dort beginnen, wo ich die letzte beendete. Ich bin paranoid.
Vor etwas mehr als einem Jahr hatte ich mir ein billiges, aber fahrtüchtiges Fahrrad gekauft. Mache Menschen investieren in Immobilien, ich investierte in ein Bügelschloss. 1/3 des Kaufpreises flossen in die Abus-Kasse. Ich hatte ein gutes Gefühl- Sicherheitsstufe 6, sehr aufbruchsicher, vereisen zwecklos, aufbohren zwecklos, Bolzenschneider zwecklos. Ich fühlte mich rundum sicher. Und ich bin eine Fahrradfahrerin, wann immer es geht verwende ich mein geliebtes Fortbewegungsmittel.
Letzte Woche (einige Ereignisse müssen sich setzen bevor man sie nieder schreiben kann) wollte ich am Abend nach der Arbeit mit meinem Rad nach Hause. Da passierte es, der Schlüssel hakte, ich versuchte dennoch das Schloss aufzubekommen. Plötzlich gab das Schloss nach, ich schaute genauer, nicht das Schloss sondern der Schlüssel hatte nachgegeben und sich mit dem Schloss vereinigt. Das Ende hängte wie eine Trophäe noch an meinem Schlüsselbund. Ich atmete tief durch, ging anschließend zur nächsten Bushaltestellte und ließ mich Heim fahren. Mit Werkzeug und Auto bewaffnet traf ich am nächsten Morgen am Ort des Geschehens ein. Eine Praktikantin sprach mich an: „Ich habe dich gestern an der Bushaltestelle gesehen.“ Nicht freiwillig, Julia, nicht freiwillig!
Ein Arbeitskollege erbarmte sich und trug mein Fahrrad in unsere dritte Etage, so dass ich nicht mehr im Regen versuchen musste, den Stumpf des Schlüssels zu fassen zu bekommen. Vergeblich. Auch Jens, ebenfalls ein Kollege von mir, versuchte mit einer Geduld jenseits von Gut und Böse sein Glück. Die Zange schloss sich, bevor wir den Stumpf fassen konnten, und keine Pinzette konnte dem Druck standhalten. Wir entschieden uns für Stickstoff, flüssigen Stickstoff. Also legten wir den Bügel in diesen hinein und hämmerten, erst zaghaft, dann mit roher Gewalt, auf ihn ein. Das einzige was sich löste war die Kunststoffummantelung.
Ich bin eine Sicherheitsfanatikerin, vereisen zwecklos, aufbohren zwecklos, Bolzenschneider zwecklos, 1/3 des Kaufpreises ließ sich nicht von den 3/3 des Kaufpreises lösen, bald brauchten wir eine Dusche und der Bügel regte sich trotzdem nicht. Es war zum Verzweifeln. Das zwang uns, unsere Taktik zu überdenken. Jens und ich drehten die Schlossseite um und hielten diese nun statt des Bügels in den flüssigen Stickstoff. Danach ließ sich die Kunststoffummantelung abschlagen, und siehe da, Jens bekam den Schlüsselstumpf zu fassen und konnte ihn entfernen. Und wie es sich gehört hatte die Sicherheitsfanatikerin den Ersatzschlüssel parat und das Schloss ließ sich öffnen als sei nichts gewesen. Als welchen Irrungen heraus auch immer, Jens und ich waren voller Stolz, einen Sieg davon getragen zu haben.


An dieser Stelle möchte ich mich herzlich bei Abus bedanken, ich kann bestätigen, dass das Schloss ziemlich aufbruchsicher ist, und wenn sie irgendwann auch für die Schlüssel eine ähnliche Qualität gewährleisten können, wird meine Begeisterung keine Grenzen kennen. Bis dahin schaue ich mitleidig auf das gebeutelte Schloss, das zwar intakt ist, jedoch seinen schönen bunten Überzug eingebüßt hat, so dass nun 1/3 des Kaufpreises leider dem Müll übergeben werden muss.

Aber das Schloss hat gehalten.

by C.G.

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