Die Fliegenfront
Urlaub kann so erholsam sein
Neulich besuchte ich nach getaner Arbeit, quasi zur Belohnung, meine Eltern und begab mich somit an die Spinnenfront. Im Vorfeld hatte ich mich gründlich vorbereitet, da ich mich weigerte, bei mir zu Haus die Fenster mit menschlichen Spinnennetzen zu verhüllen um so eine Art von Ich rechne jederzeit mit einem Angriff zu entwickeln. Dort angekommen genoss ich die Stille der Einöde, die jedoch in unregelmäßigen Abständen durch das bestätigende Klicken des väterlichen Computers unterbrochen wurde, was auch in einer Entfernung von 10 Metern zu hören war und mich zu der Annahme verleitete, er sei leicht schwerhörig oder würde es bald sein. Meine Mutter pendelte derweil zwischen zwei Orten hin und her, entweder sie hing Wäsche auf oder sie verfrachtete die Fliegenfront, die mich statt der Spinnenfront erwartet hatte, in den Staubsauger. Wie Mütter nun mal sind wollte sie für ihr Töchterchen eine angenehme Schlafatmosphäre schaffen, was jedoch durch die Fliegen, die unaufhörlich irgendwo aus dem Mauerwerk des Fachwerkhauses hervortraten, unmöglich war, und so saugte und klebte sie die undichten Stellen des mit Profilholz verkleideten Zimmers unermüdlich ab. Ergänzend muss erwähnt werden, dass wegen der drohenden Spinnenfront sämtliche Fenster des Hauses mit Fliegenschutzgittern versehen sind. Zu unserem Unglück jedoch zogen es einige Fliegen vor, ihren Aufenthaltsort des Staubsaugerinneren mit der Außenwelt einzutauschen, und so krabbelten und flogen sie was das Zeug hält. Dem musste Einhalt geboten worden und so klebte meine Mutter die Öffnung des Staubsaugerrohrs zu, was jedoch aufgrund der immerwährenden Bedrohung nur kurzzeitig half.
Da ich mich ja erholen wollte, konsumierte ich einige Bücher. Als ich zu Barbara Woods Traumzeit und deren Beschreibung einer Fliegenplage, deren Maden die Schafe bei lebendigem Leib quasi zersetzten, kam, führte das zu einem verstärkten Einsatz des Staubsaugers. Angesteckt von dem Kampf gegen die Fliegen deutete mein Vater mir an, ich sollte zuerst das Rohr zukleben und anschließend den Staubsauger nach getaner Arbeit ausschalten, was jedoch zu einem völligen Versagen des Gerätes führte. Glücklicherweise ist mein Vater ein Fachmann in Sachen Strom.
Aber es gab auch andere Zerstreuungsmöglichkeiten. Meine Eltern nahmen mich auf eine Gewaltfahrradtour mit, die ein kilometerlanges Schieben des geliebten Fortbewegungsmittels beinhaltete, so dass ich mir ernsthaft die Frage stellte, ob man nicht besser einen Rucksack und Bergsteigerschuhe hätte verwenden sollen. Ein weiteres Problem lieferte mein Rennrad, das nicht wirklich geeignet für Schotterwege war, was mein Allerwertester beweisen konnte. Irgendwann bemerkte mein Vater eine Unregelmäßigkeit meines Hinterrades, was mich jedoch nicht weiter störte, angesichts meines Hinterteils. Zu Hause angelangt waren mir die Fliegen seltsamerweise egal. Und als der Hund meiner Großmutter unsere Katze auf den Baum scheuchte und stundenlang sehnsüchtig und wahrscheinlich seibernd vor dem Baum saß, was die Katze natürlich nicht im Mindesten aus der Ruhe brachte, war ich nicht einmal erstaunt. Jedenfalls kriegte ich erstmal Herpes und mein Gesicht glich einer Primel, die sich die Seele aus den Blättern blühte. Das war entschieden zu viel Erholung für mich, ein Mensch kann nur ein gewisses Maß an Verstreuung ertragen, und so fuhr ich heim.
Nachdem ich wieder bei mir zu Hause war wurde ich von dem Drang, aufzuräumen, beherrscht. Kein Regal, keine Ecke war vor mir sicher. Aus der Toilette könnte man Erbsensuppe essen. Ich war auf fliegende Träume vorbereitet, diese blieben jedoch glücklicherweise aus. Und allmählich verschwanden auch meine Horror-Maden-Fantasien aus meinem Bewusstsein und ich war bereit, mich wieder in meinen geliebten Alltag zu stürzen.
by C.G.