Schwimmbad
Warum Schwimmen nur bedingt frustabbautauglich ist
Neulich beschloss ich, mir mal so richtig den Frust von der Seele zu schwimmen.
Und wie das mit Entschlüssen so ist, fuhr ich mit dem Fahrrad bei erheblichen Minusgraden zum Ort meines parkenden Autos und von dort aus mit Bruno II, ein Relikt aus meiner Erzieherzeit, die es mir unmöglich machte, mein Auto namenlos zu halten, zum Schwimmbad. Merkwürdig wurde es eigentlich erst, als ich in den Duschraum wollte. Denn dort hing ein Zettel mit der Aufschrift, man möge sich aus hygienischen Gründen vor dem Betreten der Schwimmbecken nackt ausziehen und abseifen- hä? Ich schwankte zwischen der versteckten Kamera, Spannern und dem Anzweifeln der Kompetenz der Verantwortlichen, dachte ich doch, im Eingangsbereich sei die Elite vom übrigen Volk bereits getrennt worden. Nachdem ich mich von dem Schock erholt hatte, betrat ich den Duschraum und wurde erschlagen von einer Flut braver nackter Frauen.
Ohne dem Ruf der zeitweiligen Nudisten zu folgen gelangte ich ohne weitere Zwischenfälle bis in das angestrebte Schwimmbecken, wo ich anfing, meine Bahnen zu ziehen. Ohne Brille, halbblind wie ich bin, hatte ich dennoch keinerlei Orientierungschwierigkeiten, stand doch glücklicherweise in wichtiger Pose ein Mann am kurzen Ende des Beckens, der das Durchschnittsalter erheblich erhöhte, und beobachtete das, wahrscheinlich weibliche, Geschehen im Becken; es lebe der Freistil, schade, dass ich ihn nicht beherrsche. Aber das Jammern half nur wenig, saugte ich doch unfreiwillig Tonnen der weiblichen Elite ein, wahrscheinlich war noch jemand der Nötigung nicht gefolgt, oder aber, auch denkbar, dieser Mensch verlieh dem Zettel einen Sinn, oder, auch denkbar, kann ab einer gewissen Schichtdicke dieses Parfüm nicht mehr rückstandslos entfernt werden. Mein Mitleid für diese Person blieb aus, da eine männliche Pracht im Wasser meine Aufmerksamkeit verlangte, denn als imposante Gesten ihre Wirkung verfehlten und auch das rekordverdächtige Schwimmen niemanden zu beeindrucken schien, wurde zur eitelkeitsverletzen Waffe des Auskeilens gegriffen. Da wurde es mir zu bunt. Ich schwamm zügig meine selbst auferlegte Pein zu Ende und fuhr eilig mit meinem in der Zwischenzeit von innen vereisten Auto zu meinem Fahrrad zurück und von dort aus nach Haus. Ich war nicht in der Lage, Wärme von Hitze zu unterscheiden, also legte ich mich gleich ins Bett.
Als selbst noch eine Woche später das Ergebnis der wahren Männlichkeit auf meinem Oberarm sichtbar war, begann ich zu ahnen, dass mein nächster Ausflug wohl noch ein Weilchen auf sich warten lassen würde und ich traf den Entschluss, erstmal ein Paar Socken zu stricken.
by C.G.